Lieben…
nur wir diese Insel so – oder geht es wohl anderen ähnlich? Egal, ob sie uns mit leuchtendem Gewitter in der Nacht überrascht oder ob wir den Ausblick am frühen Morgen über die im leichten Sonnenlicht liegenden Dünen genießen dürfen. Egal, ob man schon von weitem die über das Kopfsteinpflaster ratternden Koffer der neu anreisenden Urlauber im Dorf wahrnimmt oder eine leise surrende Elektrokarre vom Getränkemarkt an einem vorbeifährt. Egal ob man mit ausgestreckten Beinen und einem leckeren „ZimtSahne und WienerMandel Eis“ auf der Mauer an der Promenade sitzt und auf den belebten Strand herunterschaut oder ob man mit hochmotivierten Kindern durch das Dünengebiet läuft. Egal ob wir die Atmosphäre der Inselkirche genießen dürfen oder ob wir die Möglichkeiten des großen Geländes ums Bielefelder Haus voll auskosten. Egal ob man beim Dorfbummel nette Insulaner trifft oder ob man bei Gang zur Praxis der Dorfärztin völlig neue Ecken entdeckt. Diese Insel präsentiert sich uns immer wieder neu und doch so vertraut.
Genau so geht es uns manchmal mit den biblischen Geschichten, die uns in den Gospeltimes begegnen – manche scheinen völlig unbekannt und dann wieder gibt es welche, die einem wunderbar vertraut sind. Dabei fand unsere heutige Gospeltime nicht „wie immer“ in der eben erwähnten Inselkirche statt, sondern im großen Innenhof zwischen den Schlafhäusern der Mädels und Jungs, dort wo sonst fröhlich gelacht und gespielt wird, dort wo sonst Fußbälle getreten und Basketbälle geworfen werden. Schnell hatten uns die größeren Teilnehmer geholfen, die zur Verfügung stehenden Bierzeltbänke dort aufzustellen, das mitgebrachte E-Piano und Mikrofone wurden angeschlossen und sogar eine kleine Box zur Übertragung der Gospeltime auf das Dach der Quarantänestation installiert, so dass auch dort auf Decken sitzend gesungen, gebetet, Geschichte gehört und thematisch diskutiert werden konnte. Zentrales Thema der heutigen Geschichten war „lieben“ – wie euch ja bereits die Überschrift verraten hat. Liebe ist ein zentrales Thema der Bibel und sie wird in unterschiedlichsten Erscheinungsformen in vielen Geschichten erwähnt und beschrieben. Da gibt es die verbotene Liebe zwischen David und Bathseba, einer verheirateten Frau; die Liebe des Jakob zu seinem Sohn Josef, den er über alle anderen Söhne stellte und immer besonders behandelte; die Liebe Josefs wiederum zu seinen Brüdern, denen er den Neid und Hass und Verkauf nach Ägypten verziehen hat; die Liebe des Vaters, der sich über die Heimkehr seines Sohnes freut; die Liebe des Jesus zu Zachäus, den er trotz all seiner Fehler und Gier nach dem Geld der anderen besucht und ihn gar dazu bringt, sein Leben zu ändern. Genau so ist Gottes Liebe – Gott nimmt uns so, wie wir sind, er liebt uns bedingungslos, er will keine Bezahlung, wir müssen uns nicht verbiegen für ihn, müssen keine bestimmte Leistung erbringen, müssen nicht perfekt und nicht fehlerfrei sein. Wir müssen nur zulassen, dass er uns liebt.
Der Tag heute konnte für uns alle ein wenig ruhiger starten. Den Rhythmus des Tages haben wir ein wenig den Gegebenheiten angepasst, da wir beispielsweise alle Kinder direkt nach dem Wecken testen, jeweils in ihren Zimmern und wenn möglich von ihrem Zimmerleiter. Das Essen nehmen wir zu verschobenen Zeiten ein, einmal mit der gesamten weiblichen Teilnehmerinnen- und Mitarbeiterinnengruppe und etwas später dann mit der männlichen Riege, damit wir im Speisesaal derzeit nicht so eng zusammensitzen. Die Kinder tragen in den Fluren und generell im Haus Masken, außer auf den eigenen Zimmern. Draußen an der frischen Luft dürfen die Masken abgenommen werden Nach Rücksprache mit dem Praxisteam haben wir beschlossen, dass die Kinder sich in ihrer freien Zeit auch weiterhin ins Dorf abmelden dürfen, haben sie aber gebeten, in den Geschäften bitte ihre Masken zu tragen. Da werden dann rasch per Handy Bestellungen aus der Quarantänestation übermittelt und Einkäufe auch für die dortigen Freunde erledigt. Der „Haus-Heiko“ (auch das Haus hat einen Mitarbeiter mit dem Namen Heiko) hat heute sogar einen außer-Haus-Verkauf von Eis aus dem Kioskfenster in die Quarantänestation installiert. Was für eine wunderbare Idee. Überhaupt muss hier einmal erwähnt werden, wie unglaublich schnell und unkompliziert die Hausmannschaft auf die aktuelle Situation reagiert hat. Verschobene Essenszeiten bedeuten auch fürs Team Mehrarbeit, tägliches Desinfizieren, Essen getrennt bereitstellen für die Quarantänestation, tägliche Änderungen und neue Absprachen sind gefordert, aber es funktioniert. Und trotzdem bekommt man immer ein nettes Wort oder ein Lächeln, auch wenn sich der eine oder andere auch aufgrund der hohen Belastung schonmal im Ton vergreift. Das passiert uns allen, aber das verzeihen wir.
Nicht nur der Dorfbummel, auch der Strandgang konnte bei den meisten von uns die doch stellenweise etwas abgesackte Stimmung wieder hochbringen. Unbeschwert durch den Sand laufen, die Füße in die Wellen stecken, miteinander Ball spielen und Spaß haben, die mitgebrachten Kekse und Chips vernaschen und sich den frischen Wind um die Nase wehen lassen, wirkt wahre Wunder. Auf der Quarantänestation wird mittlerweile ein eigenes Programm gestrickt. Wie gut, dass die erkrankten Mitarbeiter nicht bettlägerig sind und zumindest so weit fit, dass sie es tatsächlich schaffen sich auch für dort ein kleines Programm auszudenken. Auf der Wiese wird Kube gespielt und es gibt Kartenspiele. Eines der Mädels hat kleine Papiergirlanden für die Wasserflaschen gebastelt, auf denen die jeweiligen Namen stehen, damit die Flaschen nicht verwechselt werden.
Selbst die Teilnehmenden unterstützen, wo sie nur können. Sei es beim Organisieren der Gospeltime heute oder beim „los, wir räumen alle auf“. Die größeren achten auch mit darauf, dass alle im Haus und sogar im Ort ihre Masken tragen. Da uns heute zwei weitere Mitarbeiter nach positivem Test ausgefallen sind (und die Betreuung auf der Quarantänestation nun fast bei 1:1 liegt), haben unsere Großen uns heute den Spieleabend gerettet. Eigentlich hätte das Wangerooge-Monopoly gekürzt werden müssen, da nicht alle Spielstationen besetzt werden konnten. Aber sieben unserer gemeindlichen Ehrenamtlichen, die derzeit hier mit auf Freizeit als Teilnehmer sind, und ein weiteres Mädel, die schon seit Jahren mit uns unterwegs ist, haben kurzerhand diese Spielstationen übernommen und so werden nun Wangerooger Straßen verkauft und gehandelt, Geld und Rohstoffe werden erspielt und jeder versucht für seine Gruppe die weitreichendsten Besitztümer zu ergattern. Zudem gibt es einen Markttag mitten in Wangerooge, an dem sich alle Mitspieler zu Teamspielen gegeneinander treffen. Ok – es ist der Sportplatz zwischen den Häusern und es sind einfache Staffelspiele, aber das andere hört sich viel besser an, oder?